Traumrennen belohnen Warten auf Wind
Die Geduld aller Aktiven und der Regattaorganisation war gefragt, am vorletzten Tag der Kieler Woche 2024, als es rund fünf Stunden dauerte, bis sich am Sonnabend (29. Juni) auf allen fünf Bahnen segelbarer Seewind aus östlicher Richtung aufgebaut hatte. So absolvierten die acht internationalen Bootsklassen bis zum frühen Abend noch drei traumhafte Wettfahrten und wurden nach dem Starkwindabbruch vom Vortag für ihre Geduld belohnt.
„Die Quellwolken über Land haben den Aufbau der Thermik verzögert“, erklärte Diplom-Meteorologe Meeno Schrader von der Kieler „Wetterwelt“ die Wartezeit. Seit vielen Jahren präsentiert er im Auftrag der boot Düsseldorf Wind und Wetter für die Regatta – und sollte einmal mehr Recht behalten, dass es am Nachmittag losgehen würde. Schrader: „Die Chancen standen morgens nur 60:40 und sanken zwischendurch sogar. Aber dann ging es plötzlich endlich los.“
Bei erst zwei, dann drei und in Böen vier Windstärken wurde so manches Klassement ordentlich auf den Kopf gestellt. So auch bei den 71 OK-Jollen, wo der Schwede Niklas Edler eine Sahnetag erwischte und sich an die Spitze des Felds setze. Der Wismarer Jan Kurfeld hat auf dem zweiten Platz neun Punkte Rückstand. Der dänische Topfavorit Bo Petersen kassierte vor seinen nächsten Tagessieg eine Frühstartdisqualifikation und fiel zwischenzeitig aus den Top Ten heraus, weil er das letzte Rennen am Vortag bei harschen Bedingungen verpasst hatte.
Anders dagegen die 2.4mR-Entwicklung, die Weltmeister Heiko Kröger mit drei lupenreinen Tagessiegen weiter ganz vorne sah. Neue Verfolgerin Nummer eins ist Vizeweltmeisterin Meagan Pascoe aus Großbritannien, die allerdings schon 14 Punkte Rückstand auf den Seriensieger (14 mal) hat. „Das Boot läuft, die Taktik hat gestimmt, so kann es bleiben“, meinte Kröger hochzufrieden, der die Kieler Woche auch als Generalprobe für die Weltmeisterschaft Ende Juli an gleicher Stelle nutzt. Antonio Squizzato aus Italien ist Dritter, weitere elf Zähler zurück.
Drei Generationen von 49er-Seglern in einem Boot – das funktioniert, auch bei einer spontanen Aktion. Den Beleg gibt es bei den J/70. Tobias Schadewaldt, Olympiasegler von 2012, hat sich mit Thomas Plößel, Olympia-Bronzegewinner von 2016 und 2021, sowie Tom Heinrich, der die Olympia-Qualifikation für 2024 knapp verpasst hat, zusammengetan. Und gemeinsam mit Andrea Loth im Boot finden sich die Skiff-Segler immer besser zusammen. Gestartet mit einem Frühstart im ersten Rennen am Donnerstag zeigt die Performance-Kurve der Hamburg-Kieler Kombination steil nach oben.
Am Sonnabendmorgen standen sie schon auf Rang neun im Feld der 48 Crews, punkteten dann mit einem sechsten, dritten und zum Abschluss einem zweiten Rang. Zwischenzeitlich sahen sie in dem Rennen sogar wie die Sieger aus, wählten aber zunächst die benachteiligte Seite auf der Kreuz und kassierten nach einer Tonnenberührung auch noch einen Penalty. Mit diesen Tagesrängen machten sie einen großen Sprung nach vorn im Ranking.
Die besten Deutschen hinter dem dänischen Doppel von Kim Christensen und Frederik Hvalsö ist aber die Crew um Julian Ramm. Die Itzehoer mussten zwar vorerst das Gelbe Trikot der Führenden ausziehen, gehen aber als Dritte in den finalen Tag. Für den hat auch Lukas Feuerherdt (Hamburg) von Platz fünf einen Angriff nach vorn angekündigt. „Wir sind schnell, müssen nur den freien Wind finden“, berichtete Feuerherdt von einem Tag mit „jeder Menge Spaß“. „Wir haben Erfahrung auf dem Kieler Revier und freuen uns auf mehr Wind am Sonntag.“
Das Geschehen in der J/24 ist ein Kräftemessen zwischen den Hamburger Clubs von der Alster und der Elbe. Aktuell hat ein Alsterclub die Nase vorn: Es führt Fritz Meyer (SVAOe) vor Stefan Karsunke vor den beiden Elbe-Teams von Stefan Karsunke (SCOe) und Hauke Kruess (BSC).
Seine Revierkenntnisse spielte auch Morten Ben Borchardt im ILCA 6 aus. Der Lübecker lebt seit diesem Schuljahr im Kieler Segelinternat, trainiert damit ständig in der Strander Bucht und fühlt sich hier wie in seinem Wohnzimmer. „Ich weiß, wie es hier funktioniert, und habe daher einen gewissen Heimvorteil.“ Den spielte er nicht nur mit seinem Tagessieg am Freitag aus, sondern mit weiteren Top-Resultaten am ersten Tag der Gold-Gruppe. Das brachte ihn auf Gesamtrang drei – hinter der führenden Finnin Monika Mikkola und dem Neuseeländer Zach Stibbe.
Weiterhin das Maß der Dinge sind bei den ILCA 4 die Segler aus der Schweiz. Jean Glauser bleibt an der Spitze vor seinem eidgenössischen Landsmann Tristan Schnitzer. Die leichteren Winde am Sonnabend spielten im Contender Ex-Weltmeister Max Billerbeck (Kollmar) in die Karten. Nach dem Schwerwetter nutze das Leichtgewicht nun seine Chancen und schob sich auf Rang drei vor – als erster Verfolger der dänischen Top-Leute Sören Andreasen und Jesper Armbrust, die sich ein stetes Wechselspiel um die Führungsposition liefern.
Die Dominanz der ersten Wettfahrten haben im Flying Dutchman die ungarischen Rekordweltmeister Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos zwar verloren. Dennoch bleiben sie nach sieben Wettfahrten das Teams, das es zu schlagen gilt – auch durch die amtierenden Weltmeister Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Hannover) und die WM-Dritten Kilian König/Johannes Brack, die am Schlusstag auf den Rängen zwei und drei alles dran setzen werden, um das Bild noch zu ändern.
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